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Stellungnahme zum Betrugsbekämpfungsgesetz 2025
1. Einführung
Das am 10.12.2025 beschlossene Betrugsbekämpfungsgesetzes 2025 sieht vor, dass Zahlungen an Finanzamt und Sozialversicherungsträger vor der Insolvenzeröffnung in vielen Fällen nicht mehr angefochten werden können. Dadurch erhält die öffentliche Hand einen Sonderstatus im Insolvenzverfahren.
Der Österreichische Verband Creditreform (ÖVC) als bevorrechteter Gläubigerschutzverband (BGBL II 442/2006) sieht diese Entwicklung sehr kritisch, weil sie zentrale Grundsätze des österreichischen Insolvenzrechts – insbesondere die Gleichbehandlung aller Gläubiger seit 1982 – erheblich beeinträchtigt.
2. Warum die Änderungen problematisch sind
2.1 Eingriff in die Gläubigergleichbehandlung
Die Anfechtungsfestigkeit führt dazu, dass öffentliche Gläubiger bevorzugt werden, während andere Gläubiger – insbesondere kleine und mittlere Unternehmen – weniger erhalten würden. Diese Ungleichbehandlung widerspricht sowohl der österreichischen Insolvenztradition als auch den aktuellen EU-Harmonisierungsbestrebungen, die keine Privilegien für staatliche Gläubiger vorsehen.
2.2 Schwächung der Insolvenzmasse und niedrigere Quoten
Anfechtungen gegenüber der öffentlichen Hand machen oft einen wichtigen Teil der Insolvenzmasse aus. Diese Mittel ermöglichen überhaupt erst weitere Verfahrensschritte und Aufklärungsmaßnahmen.
Fallen sie weg, drohen:
- niedrigere Gläubigerquoten
- mehr Abweisungen mangels Masse
- geringere Aufklärungs- und Betrugsbekämpfungsmöglichkeiten
Schon jetzt werden rund 40 % aller Insolvenzen gar nicht erst eröffnet, weil zu wenig Vermögen vorhanden ist.
2.3 Spätere Insolvenzanträge durch die öffentliche Hand
Heute stellt die öffentliche Hand den Großteil der Insolvenzanträge – und zwar meist frühzeitig. Wenn sie künftig Zahlungen behält, selbst wenn der Schuldner insolvent ist, sinkt ihr Anreiz, rechtzeitig einen Antrag zu stellen. Das hätte zur Folge:
- spätere Verfahren
- geringere verfügbare Vermögenswerte
- schlechtere Sanierungs- und Quotenaussichten
2.4 Informationsvorsprung verpflichtet, nicht privilegiert
Finanzamt und Sozialversicherung haben durch Melde- und Kontrollrechte wesentlich bessere Einblicke in die finanzielle Lage der Unternehmen als private Gläubiger.
Dieser Wissensvorsprung sollte aus Sicht vom ÖVC zu früherem Handeln verpflichten, nicht zu einer besonderen Schutzstellung führen.
Gerade kleine und mittlere Betriebe sehen finanzielle Schieflagen ihrer Geschäftspartner oft erst spät. Eine Bevorzugung der öffentlichen Hand würde sie daher strukturell benachteiligen.
3. Keine sachliche Rechtfertigung
Die beschlossenen Änderungen werden mit „Betrugsbekämpfung“ begründet. Nach Einschätzung des ÖVC tragen sie jedoch nicht zur Bekämpfung von Abgaben- oder Steuerbetrug bei. Im Gegenteil: Ohne ausreichende Insolvenzmasse lassen sich wirtschaftskriminelle Handlungen schlechter aufklären, weil die finanziellen Mittel zur Untersuchung fehlen.
4. Schlussfolgerung
Zusammenfassend sieht der ÖVC erhebliche insolvenz-, verfassungs- und unionsrechtliche Bedenken gegen die neuen Rechtsnormen. Das im Europavergleich gut funktionierende österreichische Insolvenzrecht, welches vor allem durch seine guten Quotenaussichten und erfolgreichen Sanierungen besticht, wird dadurch enorm beeinträchtigt werden. Zudem ist die Gläubigergleichbehandlung erheblich eingeschränkt und wird zu nicht unbeträchtlichen wirtschaftlichen Nachteilen für die Gläubiger führen.
Wien, im Dezember 2025
Österreichischer Verband Creditreform (ÖVC)
Foto: Adobe Stock - jirsak
Kontakt
Mag. Gerhard M. Weinhofer
Unternehmenskommunikation
Mitglied der Geschäftsleitung

