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Creditreform Österreich Insolvenzen AT

Insolvenzstatistik Österreich 2020

Nur mehr 12 Insolvenzverfahren pro Werktag in Österreich

Unternehmensinsolvenzen sinken auf das Niveau von 1990

Das Insolvenzgeschehen als Seismograph für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung hat sich vom wirklichen Zustand der österreichischen Unternehmen entkoppelt. Trotz der größten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg und eines massiven Konjunktureinbruchs im Zuge der Covid-19-Pandemie ist die Zahl der Firmeninsolvenzen um 41,5% auf etwas mehr als 3.000 Verfahren zurückgegangen. So wenige Insolvenzen gab es in Österreich zuletzt vor 30 Jahren.

Creditreform hat den aktuellen Trend bei den Firmeninsolvenzen für das Jahr 2020 in Österreich im Detail analysiert: Die Zahl der eröffneten Verfahren ging um rund 42% auf 1.800 Fälle zurück. Die mangels Vermögen abgewiesenen Verfahren sanken um knapp 40% auf etwa 1.200 Fälle. Die Insolvenzursachen liegen erstmals nicht hauptsächlich in Managementfehlern sondern im Kapitalmangel. Bei allen Insolvenzverfahren waren in Summe rund 14.000 Arbeitsplätze betroffen. Die Insolvenzverbindlichkeiten werden auf ca. 2,2 Mrd. Euro geschätzt.

Tab. 1: Unternehmensinsolvenzen Österreich 2020

Dazu Gerhard M. Weinhofer, Geschäftsführer des Gläubigerschutzverbandes Österreichischer Verband Creditreform: „Die zahlreichen Maßnahmen der Bundesregierung waren angesichts der Wucht, mit der Covid-19 die heimische wie auch die Weltbevölkerung getroffen hat und den Zusammenbruch des Gesundheitssystems befürchten ließ, anfangs richtig. Um die wirtschaftlichen Folgen der zahlreichen Tätigkeitsverbote ganzer Branchen abzumildern, wurden massive wirtschaftspolitische Eingriffe verordnet, z.B. das teilweise Aussetzen der Insolvenzantragspflicht, das Moratorium hinsichtlich der Insolvenzanträge durch die ÖGK und die Finanzämter. Diese sind aber auch verantwortlich für die abnormale Insolvenzentwicklung, in der sich die tatsächliche wirtschaftliche Situation der Unternehmen nicht widerspiegelt. Es wäre aber nun an der Zeit, das Insolvenzrecht mit seinem bewährten Sanierungsinstrumentarium wieder uneingeschränkt und damit eine Marktbereinigung zuzulassen. Eine Prolongierung der Hilfsmaßnahmen und dadurch weitere Verschuldung des Staates würde nur den Überlebenskampf vieler Unternehmen hinauszögern, den letztlich alle Steuerzahler bezahlen müssten.“

Bundesländervergleich

Den stärksten Rückgang verzeichneten die westlichen Bundesländer Tirol (-57,5%), Vorarlberg (-51,5%) und Salzburg (-50,6%). Die höchste Insolvenzbetroffenheit herrschte in der Bundeshauptstadt mit knapp 11 Insolvenzen pro 1.000 Unternehmen, die geringste in Vorarlberg mit 3,5 von 1.000 Unternehmen. Österreichweit mussten etwas mehr als 6 von 1.000 Unternehmen den Gang zum Insolvenzgericht antreten.

Tab. 2: Unternehmensinsolvenzen nach Branchen

Branchenvergleich

Der Rückgang erfolgte quer über alle Branchen, am meisten im Transportwesen („Verkehr- und Nachrichtenübermittlung“) mit Minus 48,3%, gefolgt von den „Unternehmensbezogenen Dienstleistungen“ (-47,6%) und dem Handel (-46,3%).

Vergleich zu Deutschland

Eine deutlich andere Situation verzeichnete der wichtigste heimische Wirtschafts- und Handelspartner Deutschland. Dort nahm die Zahl der Unternehmensinsolvenzen auch ab, aber deutlich weniger stark, nämlich nur um 13,4%. 16.300 Insolvenzen bedeuten den niedrigsten Stand seit Einführung der Insolvenzordnung im Jahr 1999. Die Gründe für die weniger drastische Situation liegen darin, dass die staatlichen Eingriffe nicht ganz so stark waren. Die Corona-Krise hat zu einer überdurchschnittlich hohen Zahl an Großinsolvenzen geführt, z.B. GALERIA KARSTADT KAUFHOF und die bekannten Modeeinzelhändler „Esprit“ und „BONITA“. Spürbar erhöht haben sich dadurch die Schäden für die Gläubiger auf schätzungsweise 34 Mrd. Euro. Es besteht zu befürchten, dass es hier in Österreich im kommenden Jahr zu einem Nachholeffekt kommen kann.

Conclusio 2020 – Ausblick 2021

Die gravierenden Eingriffe der Wirtschaftspolitik erklären das Paradoxon stark sinkender Firmeninsolvenzen in der größten Wirtschaftskrise. Man fragt sich nun, was für 2021 zu erwarten ist? Creditreform hat dazu seine Bilanzdatenbank mit den rund 150.000 hinterlegungspflichtigen Unternehmensbilanzen analysiert. Berücksichtigt man dazu die aktuelle Wirtschaftsentwicklung mit einem geschätzten Rückgang des BIP um mindestens 8%, ergibt sich eine Zahl von rund 50.000 Unternehmen, die insolvenzgefährdet sind und lediglich aufgrund der jahrelangen Niedrigzinsen überleben konnten und aufgrund der aktuellen Hilfsmaßnahmen weiter überleben können. Wann kommt nun die Insolvenzwelle? Das dürfte spätestens dann der Fall sein, wenn wieder das freie Spiel der marktwirtschaftlichen Kräfte zugelassen wird und staatliche Regulierungen – seien sie noch so gut gemeint – zurückgefahren werden. Diese Entwicklung wird maßgeblich davon abhängen, wann man die gesundheitlichen Risiken der Pandemie durch wirksame Impfstoffe in Griff bekommt. Klar ist aber, dass einmal der Zahltag kommen wird, für die Unternehmen und für alle Bürger als Steuerzahler.



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Mag. Gerhard M. Weinhofer
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